Erdgasförderung in der Nordsee: Möglichkeiten und Grenzen

Die Erdgasförderung in der Nordsee muss forciert werden. Inzwischen sind die deutschen ebenso wie die niederländischen Gasspeicher bedrohlich leer. Experten fordern daher, die bestehenden Gasfelder noch mehr zu nutzen. Das betrifft unter anderem das Areal um die niederländische Stadt Groningen. Hier befindet sich das weltweit zehntgrößte Gasfeld. Auch Deutschland könnte die Erdgasförderung in der Nordsee weiter ausbauen.


Startschuss für eine Erdgasförderung in der Nordsee im April 2022

Mitte April 2022 verständigten sich das niedersächsische Wirtschaftsministerium und das niederländische Förderunternehmen One-Dyas auf Eckpunkte einer Erdgasförderung vor Borkum. 20 Kilometer vor der Küste der Insel liegt wahrscheinlich das größte Erdgasfeld, das in den letzten 25 Jahren in der Nordsee entdeckt hat. Die Niederländer wollen es erschließen, sie vermuten 60 Milliarden Kubikmeter Gesamtvolumen, wie Wirtschaftsminister Bernd Althusmann in Hannover erklärte.

Ab dem Jahr 2024 können jährlich fünf Milliarden Kubikmeter gefördert werden. Das Feld liegt im Grenzgebiet zwischen beiden Staaten unweit des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Die Förderplattform wird man von Borkum aus sehen können. Die dortige Erdgasförderung in der Nordsee wird über Horizontalbohrungen erfolgen. Die Menge von fünf Milliarden Kubikmetern würde derjenigen entsprechen, die Deutschland aktuell fördert. Der deutsche Bedarf allerdings beträgt 90 Milliarden Kubikmeter pro Jahr.

Die Erdgasförderung in der Nordsee kann deutlich gesteigert werden. Sowohl Deutschland als auch die Niederlande können Fördermenge erhöhen.
Erdgasförderung in der Nordsee: Möglichkeiten und Grenzen.
Bild: Pétrole_et_gaz_-_Europe.svg: historicair 17:35, 2 March 2007 (UTC)derivative work: NNW, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Erdgasförderung in der Nordsee wäre an dieser Stelle also nur ein Baustein für die Energieversorgungssicherheit. Er gilt allerdings wegen der aktuellen geostrategischen Lage als enorm wichtig. Schon in den nächsten Monaten (Stand: Mai 2022) erwarten Experten Engpässe beim Erdgas. Dabei gilt es, sich so schnell wie möglich von russischen Importen unabhängig zu machen.


Erdgasförderung in der Nordsee: Aufteilung zwischen Deutschland und den Niederlanden

Das geförderte Gas vor Borkum wird je zur Hälfte durch Deutschland und die Niederlande bezogen. Letztere mussten nicht überzeugt werden, die Erdgasförderung in der Nordsee in Angriff zu nehmen, doch auf der deutschen Seite gab es Widerstände durch die Grünen im niedersächsischen Landtag und durch Umweltverbände. Die Regierungskoalition in Hannover (SPD und CDU) setzte das Vorhaben aber durch.

Ihr Umweltminister Olaf Lies erklärte, dass Deutschland auf niederländisches Gas angewiesen sei und daher dem Nachbarland nicht aus Gründen des Umweltschutzes eine Erdgasförderung in der Nordsee verbieten könne. Daher habe man mit One-Dyas geredet. Nach Aussage des Ministers stehen die Chancen für eine Verständigung sehr gut. Jeder wisse, so Lies, wie wichtig die Rohstoffunabhängigkeit angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sei. Man könne gar nicht schnell genug von russischem Gas unabhängig werden.


Sinkende heimische Förderquoten

Die einheimische Erdgasförderung ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken. Sie galt als zu kostspielig und unnötig, weil man an die sichere Versorgung mit russischem Erdgas glaubte, wie Ludwig Möhring bestätigt. Der Hauptgeschäftsführer des BVEG (Bundesverband Erdgas, Erdöl, GeoEnergie) spricht das essenzielle Thema der Versorgungssicherheit an, das plötzlich im Fokus stehe. Es bedürfe sehr schnell einer zukunftsfähigen Gasversorgungsstrategie. Dass auch die Erdgasförderung in der Nordsee dazu beitragen könne, hält Möhring für absolut plausibel. Ohnehin hätte Deutschland Möglichkeiten, sich selbst mit einheimischem Erdgas zu versorgen.

Bis in die frühen 2000er Jahre habe der Anteil der einheimischen Förderung immerhin rund 20 % des Verbrauchs gedeckt, so der Experte. Freilich seien die natürlichen Lager damals noch voller gewesen. Der Übergang zu vermehrten Exporten vorrangig aus Russland war aber auch eine politische Entscheidung. Russisches Gas ist vergleichsweise billig, außerdem glaubte man an eine Verflechtung der Staaten und Systeme durch den Handel. Dieser Glaube bestimmte die deutsche Außenpolitik schon vor rund 60 Jahren.

Das Narrativ „Wandel durch Handel“ wurde 1963 durch die Evangelische Akademie Tutzing verkündet und durch Egon Bahr, den damaligen Sprecher von Willy Brandt (Bundeskanzler ab 1969) sofort aufgegriffen. Man wollte dem Ostblock durch Handelsbeziehungen näherkommen und damit die Kriegsgefahr eindämmen. Das funktionierte immerhin – bis 2022. Dass spätere Kanzler bis hin zu Angela Merkel diese Politik fortsetzten, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Putin setzte den Mechanismus durch seinen kriegerischen Revisionismus außer Kraft. Der Westen muss sich nun blitzschnell neu orientieren. Die Erdgasförderung in der Nordsee wird dazu beitragen.


Zeitfaktor bei der Erdgasförderung in der Nordsee

Die Erschließung neuer Erdgasfelder dauert leider etwas länger. Dies hat nicht nur technische, sondern auch politische Gründe: Umweltschützer und andere Interessengruppen bringen Einwände vor und ziehen nicht selten vor Gericht, um Projekte zu verhindern. Fachleute verweisen aber darauf, dass man seit dem 24. Februar 2022 neue Prioritäten setzen müsse. Es gelte, jede Möglichkeit einer unabhängigen Energieversorgung auszuschöpfen, so auch durch die Erdgasförderung in der Nordsee.

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