In Mitteldeutschland gerät die Energiewende ins Stocken. Der ostdeutsche Versorger EnviaM hat das Vorzeigeprojekt „Green Bridge“ aufgegeben. Dieses Projekt sollte den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur vorantreiben und Erdgas schrittweise ersetzen. Der Ausstieg trifft die Region hart – denn damit verliert Mitteldeutschland ein zentrales Element seiner energiepolitischen Zukunft (lvz: 06.06.25).
Strukturbruch im Wasserstoffnetz von Mitteldeutschland
EnviaM plante ursprünglich, über Tochterfirmen wie Mitnetz Gas und Envia Therm zentrale Leitungsinfrastruktur bereitzustellen. Bestehende Erdgastrassen sollten für den Wasserstofftransport umfunktioniert und neue Elektrolyseure gebaut werden.

„Wir verfolgen das Projekt Green Bridge derzeit nicht weiter“, teilt eine Unternehmenssprecherin mit. Auch der Bau eines eigenen Elektrolyseurs liegt nun auf Eis.
Strategiewechsel bei E.ON und wirtschaftlicher Druck
E.ON, Mehrheitseigner von EnviaM, hat sich entschlossen, Wasserstoff nicht mehr als eigenständigen Geschäftszweig zu führen. Die eigens gegründete E.ON Hydrogen GmbH entfällt. Aktivitäten wie Wasserstoffimport, Pipelinebau und Produktion verlieren intern an Priorität. Für Green Bridge bedeutet das das vorläufige Aus – eine Entscheidung, die sich auf die gesamte Wasserstoffstrategie Mitteldeutschlands auswirkt.
Mittelstand verschiebt Projekte, Großindustrie hält Kurs
Jörn-Heinrich Tobaben vom Wasserstoffverein Hypos beschreibt, dass viele mittelständische Unternehmen ihre Projekte gestoppt haben. „Angesichts der Tatsache, dass grüner Wasserstoff unverändert knapp und relativ teuer ist, haben viele Mittelständler in der Region ihre Wasserstoffprojekte erst einmal auf Eis gelegt.“ Die Großindustrie hingegen verfolgt ihre Transformationspläne weiter.
Großprojekte stärken Wasserstoff-Zukunft
So treiben Unternehmen wie BMW oder Total Energies ambitionierte Vorhaben voran. Besonders bemerkenswert: „Der zwischen RWE am Standort Lingen in Niedersachsen und der mitteldeutschen Raffinerie vereinbarte Abnahmevertrag über jährlich 30.000 Tonnen grünen Wasserstoffs ab 2030 ist nichts weniger als der größte Deal der deutschen Wasserstoffwirtschaft“, so Tobaben.
BMW baut eigene Versorgung auf
Im Leipziger BMW-Werk läuft der Betrieb schon heute mit Wasserstofflogistik. Staplerflotten, Trocknungsvorgänge in der Lackiererei und Brennstoffzellen-Lkw gehören längst zum Alltag. Der Konzern plant weiterhin, das Werk per Pipeline anzubinden. Gespräche mit einem neuen Partner laufen bereits.
Anschluss an Kernnetz durch Ontras möglich
Der Pipelineanschluss könnte über das Unternehmen Ontras erfolgen. Das Fernleitungsnetz des Unternehmens verläuft in direkter Nähe zum Werk. Für eine Verbindung fehlen nur wenige Kilometer. Konkrete Aussagen zum Projekt bleiben aus, doch die Verhandlungen scheinen weit fortgeschritten.
Milliardeninvestitionen sichern Zukunftsperspektive
Die Muttergesellschaft VNG investiert langfristig in die Wasserstoffwirtschaft. In Bad Lauchstädt entsteht eine Infrastruktur für Erzeugung, Speicherung und Transport. Noch 2025 soll eine 25 Kilometer lange Leitung in Betrieb gehen – ein wichtiger Baustein für Mitteldeutschland.
Trotz Rückschlägen bleibt das Potenzial groß. Industriepartner halten an der Technologie fest. Damit besteht weiter Hoffnung, dass Mitteldeutschland beim Wasserstoff nicht den Anschluss verliert.
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