Deutschland geht in den Herbst, die Menschen denken allmählich über Weihnachtsgeschenke nach. Viele von ihnen werden mit Wehmut an die schönste Zeit des Jahres mit dem Lichtermeer auf den Weihnachtsmärkten denken. Dieses dürfte 2022 in den meisten Städten höchstens noch auf Sparflamme möglich sein oder auch ganz ausfallen. Immerhin müssen Privathaushalte, Kommunen und Unternehmer ab sofort viel Strom sparen. Die meisten deutschen Städte haben inzwischen angekündigt, dass sie in der Weihnachtszeit die Beleuchtung reduzieren werden (t-online, 22.09.2022).
Weihnachtszeit ohne Lichterglanz?
Das Szenario erscheint noch surreal bis undenkbar, doch in der Tat könnte es in einigen Kommunen 2022 ein Weihnachten ganz ohne Lametta und Lichterglanz geben. Es wirken für die Stadtoberen die Energiekrise und die Inflation zusammen. Damit droht in allen deutschen Städten eine viel dunklere Weihnachtszeit und je nach Finanzlage auch eine ganz ohne Weihnachtsmarkt mit Lichtermeer. Es sind noch drei Monate bis zum Weihnachtsfest: Die Kommunen müssen nun ihre Energiesparmöglichkeiten gründlich checken. Zwar möchten die Städte und Gemeinden die Weihnachtsmärkte prinzipiell weiterhin öffnen. Doch eine Maßnahmen wegen der angespannten Lage am Energiemarkt dürfte sein, ihre Beleuchtung deutlich zu reduzieren oder im Notfall auch gänzlich abzustellen, wenn dies essenzielle Einsparungen verspricht. Dies ließ vergangene Woche der Deutsche Städte- und Gemeindebund über einen Sprecher mitteilen.
Da jedoch die Weihnachtsmärkte gleichermaßen zur Lebensqualität und Tradition gehören sowie ein höchst relevanter Wirtschaftsfaktor seien, wolle man sie höchstens im Notfall ausfallen lassen. Nur könne man vor dem Hintergrund einer sich deutlich abzeichnenden Energiekrise im laufenden Jahr keinesfalls eine Beleuchtung wie gewohnt gewährleisten. Hierüber bestehe völlige Übereinstimmung zwischen den Städte- und Gemeindevertretern. Die Beleuchtung könne möglicherweise von den privaten Betreibern der Weihnachtsstände mit günstigen LEDs auf einem gewissen Niveau gehalten werden.
Angedachte Sparmaßnahmen in den Städten
Sparmaßnahmen statt Lichterglanz klingen wenig erfreulich, doch die Städte haben keine Wahl. Sie suchen allerdings nach Kompromissen zwischen Energieeinsparungen und Weihnachtsstimmung. Im Detail gehen deutsche Kommunen so vor:
- In Berlin dürften Einkaufsboulevards wie der Kurfürstendamm, Unter den Linden und die Tauentzienstraße weitgehend dunkel bleiben. Die Werbebeleuchtung ist ohnehin nur noch zwischen 16.00 und 22.00 Uhr erlaubt, dies legt die zwischen September 2022 und Februar 2023 geltende Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (kein Tippfehler) fest. Gleichzeitig hat nun der Berliner Senat entschieden, die Straßenbeleuchtungen nicht mehr finanziell zu unterstützen. Die Stadtbezirke mit den wichtigsten Shoppingmalls suchen daher inzwischen Sponsoren für ihre Beleuchtung. Möglicherweise finanzieren die betroffenen Geschäftsinhaber gemeinschaftlich ihre Straßenlaternen, doch so eine Einigung dürfte erfahrungsgemäß schwer zu erreichen sein.
- Stuttgart ließ in der Stadt in den vergangenen Jahren zur Weihnachtszeit stets 450 Stunden lang mit Ökostrom betriebene Lichterketten an seinen Tannenbäumen leuchten. Diese Zeit wird nun auf 240 Stunden reduziert. Das Stuttgarter Rathaus verzichtet komplett auf die Beleuchtung und auch auf den traditionellen Adventskalender in seinen Rathausfenstern.
- In Kiel sollen hingegen die Beleuchtungselemente in den Fußgängerzonen und auf den Weihnachtsmärkten höchstens unwesentlich reduziert werden. Jedoch schaltet die Stadt die Sterne und Lichterketten bereits um 22.00 Uhr ab.
- Die Stadt Essen verzichtet auf einige atmosphärische Lichter. Die Beleuchtung ihrer Marktstände wird sie deutlich später als in früheren Jahren einschalten.
- Nürnberg betreibt seinen weltberühmten Christkindlesmarkt schon seit 2013 zu 100 % mit Ökostrom. Da der Energieverbrauch mit LED-Lampen schon auf das technische Minimum reduziert werden konnte, glaubt die Stadtverwaltung, wenigstens an dieser Stelle nicht weiter einsparen zu müssen. An anderen Stellen hingegen dürften auch in Nürnberg die Straßen dunkler werden.
Meldungen zu solchen Sparmaßnahmen kamen inzwischen auch aus München, Kiel, Cottbus, Potsdam, Annaberg-Buchholz, Erfurt, Chemnitz, Jena und Weimar, wobei hier die Stadtbeleuchtung schon in den vergangenen Jahren weitestgehend auf die energiesparende LED-Technik umgestellt wurde. In Aachen, Köln, Darmstadt, Frankfurt/Main, Münster, Düsseldorf, Hannover, Wiesbaden, Bielefeld, Regensburg, Flensburg und Lübeck hingegen prüfen die Stadtverwaltungen derzeit fieberhaft, wie sie deutliche Energieeinsparungen bei der Stadtbeleuchtung und auf den Weihnachtsmärkten erreichen können. Dort beraten Arbeitsgruppen, auf welche Weise der aktuellen Energienotlage Rechnung zu tragen sei.
Weihnachten ohne Lichtermeer: Was macht das mit den Menschen?
Die kommende Weihnachtszeit könnte für die Europäer zum aufrüttelnden Fanal werden, was der Krieg in der Ukraine, der damit verbundene Energiekrieg Russlands gegen die EU und die ebenfalls damit verbundene Inflation mit uns machen. Weihnachtsmärkte ohne Licht oder ganze Städte ohne Weihnachtsmarkt gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.
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