Die Antwort auf die brisanteste Frage vorweg: Nein, eine kommunale Pleite – vergleichbar mit der Insolvenz eines Unternehmens – gibt es formaljuristisch nicht. Doch Stuttgart drohen beim gegenwärtigen Finanzloch drastische Sparmaßnahmen und eine Fremdverwaltung.
Dezember 2025: Finanzloch in Stuttgart kaum zu stopfen
Die Finanzlage der baden-württembergischen Landeshauptstadt ist so prekär, dass ein neuer Haushalt nur mit drastischen Kürzungen beschlossen werden kann. Nach den neuesten Berechnungen der Finanzfachleute fehlen Stuttgart zusätzlich zu den bekannten Defiziten weitere Mittel in der Größenordnung von mehreren Hundert Millionen Euro. Das ursprüngliche Finanzloch war zunächst auf 400 Millionen Euro beziffert worden. Doch durch eine veränderte Wirtschaftslage hat sich eine neue Situation ergeben: Die Gewerbesteuereinnahmen dürften in den kommenden Jahren deutlich niedriger ausfallen als bisher. Das zwingt zu weiteren Sparmaßnahmen, welche der Stuttgarter Gemeinderat nun hinter verschlossenen Türen diskutiert.

Für das schon bekannte Finanzloch von 400 Millionen gab es seit Oktober 2025 einen Sparhaushalt. Dieser wird aber nicht mehr ausreichen. Beschlossen werden müssen die Haushalte 2026 und 2027. Für das Jahr 2026 sollen bis zu 250 Millionen Euro, für 2027 mindestens 50 Millionen Euro fehlen. Neben der sinkenden Gewerbesteuer ist ein Grund für das explodierte Defizit das seit 2020 stark gewachsene Stuttgarter Haushaltsvolumen. Vor fünf Jahren kam die Stadt noch mit gut vier Milliarden Euro aus, inzwischen benötigt sie knapp sechs Milliarden.
Entscheidung am 19. Dezember 2025
Am 19. Dezember 2025 müssen beide Haushalte für die kommenden Jahre stehen. Die möglichen Sparvorschläge sind dementsprechend zu diskutieren. Der größte, aber auch am schwersten anzutastende Posten sind die Sozialausgaben, die Stuttgart aktuell jährlich über 800 Millionen Euro kosten. Doch an ihnen ist kaum zu rütteln, denn die meisten Leistungen muss jede deutsche Kommune wegen verpflichtender Bundesgesetze erbringen. Dazu gehört etwa das Bundesteilhabegesetz, welches die Unterstützung von Personen mit einer Behinderung absichert. Stuttgart wird dafür nach ersten Berechnungen im Jahr 2026 rund 230 Millionen Euro, im darauffolgenden Jahr 240 Millionen ausgeben.
Allerdings gibt es auch freiwillige Sozialleistungen der Stadt für Bedürftige, so etwa die Bonuscard für Haushalte mit geringem Einkommen. Damit können Eltern ihren Nachwuchs kostenlos in die KiTa schicken, auch gewährt die Bonuscard Einsparungen bei etlichen städtischen Angeboten. Es dürfte nun diskutiert werden, ob und inwieweit sich solche Angebote einschränken lassen. Der Sozialetat ist ebenfalls ein juristisch festgezurrter Posten, doch hier sind Kürzungen durch das Absenken von Standards möglich. Betroffen sein könnten Kinder und Jugendliche, für welche die Stadt ihre Ausgaben wohl deutlich reduzieren will.
Ein flüchtiger Blick auf die Zahlen führt zu einer zwingenden Argumentation: Bei einem Gesamthaushalt von 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2025 gab Stuttgart mehr als eine Milliarde für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus. Unter anderem fördert sie KiTas und Projekte der Jugendhilfe. Letztere könnten komplett gestoppt, zumindest aber drastisch reduziert werden. Es gäbe dann viel weniger oder gar keine Streetworker und Jugendhäuser mehr. Die Protagonisten warnen dementsprechend vor der Zerstörung von etablierten Strukturen, die der Gewaltprävention sowie dem Vorbeugen gegen Arbeitslosigkeit und Suchterkrankungen dienen. Ein Kahlschlag in diesem Sektor dürfte in der Stadt neue soziale Probleme schaffen.
Lässt sich die Einnahmenseite verbessern?
Das versucht die Stadt natürlich. Sie erhöht Steuern, Gebühren und Abgaben. Dazu gehören die Hundesteuer sowie Parkplatz- und Kitagebühren. Die gegenwärtige Diskussion dreht sich zusätzlich um Eintrittspreise für Schwimmbäder, Friedhofsgebühren und Nutzungsgebühren für öffentliche Flächen der Gastronomie. Die Gewerbesteuer könnte ebenfalls erhöht werden, was naturgemäß scharfe Kritik aus den Unternehmen auslöst. Ein höherer Gewerbesteuersatz ist stets ein zweischneidiges Schwert: Unternehmen, denen dies möglich ist, wandern dann in günstigere Regionen ab, was das Steueraufkommen wieder reduziert.
Mögliche Einsparungen beim städtischen Personal
Etwa ein Viertel des städtischen Etats ist für die eigenen Beschäftigten vorgesehen, deren Zahl inklusive des Personals in Eigenbetrieben die Stadtverwaltung mit rund 20.000 beziffert. Diese Mitarbeiter erhalten eine Vollerstattung für das Deutschlandticket sowie eine Stuttgart-Zulage von monatlich 150 Euro. Beides könnte auf der Kippe stehen. Zusätzlich dürften wegen der Sparzwänge einige Bereiche künftig komplett gestrichen werden. Damit würde Stuttgart vielleicht Eigenbetriebe aufgeben und dem Personal betriebsbedingt kündigen. So etwas ist zwar rechtlich nicht unmöglich, allerdings wird es wohl (noch) nicht diskutiert. Zuletzt hatten die städtischen Betriebe sogar noch Stellen ausgeschrieben. Es könnte aber passieren, dass Aufgaben neu vergeben werden, um Einsparpotenzial zu heben.
Was ist die Alternative zu einer kommunalen Insolvenz?
Da die städtische Pleite nicht möglich ist, müsste Stuttgart mit einer vorläufigen Haushaltsführung durch das eigene Regierungspräsidium rechnen, wenn sich die Sparhaushalte nicht beschließen lassen. Die Stadt würde dann nur noch die gesetzlich vorgegebenen Pflichtaufgaben übernehmen, was ihre Bewohner schmerzlich spüren dürften. Dieses Szenario will der Stuttgarter Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) um jeden Preis vermeiden.
