Die Schließung der letzten Silizium-Fabrik zeigt das Scheitern deutscher Rohstoffpolitik

Mit dem Aus der letzten Silizium-Produktion in Deutschland erreicht die Kluft zwischen politischem Anspruch und wirtschaftlicher Realität einen neuen Höhepunkt. Die Bundesregierung betont seit Jahren eine eigenständigere Rohstoffpolitik, eine stärkere Industriepolitik und geringere Abhängigkeit von China. Doch in Pocking schließt die letzte deutsche Silizium-Fabrik endgültig. Hohe Energiepreise belasten die Wettbewerbsfähigkeit. Kaum ein Vorgang verdeutlicht den Widerspruch zwischen politischen Versprechen und der Realität deutlicher als dieser industrielle Rückzug.


Silizium steht im Zentrum der strategischen Debatte

Das chemische Element Silizium gilt als Schlüsselmaterial moderner Volkswirtschaften, denn ohne diesen Werkstoff lassen sich weder Halbleiter noch Solarmodule oder Batteriesysteme herstellen. Dennoch endet zum Jahreswechsel die letzte heimische Fertigung.

Das Ende der letzten Silizium-Fabrik in Pocking macht sichtbar, wie stark politische Ziele und Realität auseinanderklaffen
Das Ende der letzten Silizium-Fabrik in Pocking macht sichtbar, wie stark politische Ziele und Realität auseinanderklaffen

Für die rund 110 Beschäftigten von RW Silicium bedeutet die Entscheidung einen tiefen Einschnitt, zumal sie kurz vor Weihnachten darüber informiert werden. Der Vorstand der Muttergesellschaft verweist auf fehlende wirtschaftliche Perspektiven, obwohl jahrelange Rettungsversuche stattfanden. Damit verliert Deutschland nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch das technologisches Know-how.

Rohstoffpolitik bleibt ein politisches Versprechen

Nach der Schließung bleibt der deutschen Industrie ausschließlich der Import. Diese Entwicklung widerspricht dem erklärten Ziel einer robusteren Rohstoffpolitik, die strategische Abhängigkeiten reduzieren soll. Gerade im Verhältnis zu China gewinnt dieses Thema an Bedeutung, da der Weltmarkt für Silizium bereits heute stark von chinesischen Anbietern geprägt ist. Während politische Strategiepapiere Autonomie propagieren, verschwindet eine reale Produktionsbasis. Diese Diskrepanz schwächt die Glaubwürdigkeit staatlicher Ankündigungen erheblich.

Energiepreise untergraben die Industriepolitik

Der entscheidende Kostentreiber liegt nicht beim Ausgangsmaterial. Hochreiner Quarz steht ausreichend zur Verfügung und stammt in Pocking sogar aus der Region. Ausschlaggebend sind die Energiepreise, denn die Umwandlung zu metallischem Silizium erfordert enorme Strommengen. Analysen zeigen klar, dass regionale Stromkosten über Erfolg oder Scheitern entscheiden. Genau hier greift die Industriepolitik zu kurz, weil wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen fehlen. Die Produktion des Werkstoffs verlor damit seine wirtschaftliche Basis, obwohl seine strategische Bedeutung unbestritten bleibt.


Globale Märkte verstärken den Druck aus China

Selbst in wirtschaftlich stabilen Zeiten erreichte der Standort lediglich einen geringen Weltmarktanteil. China dominierte den Markt bereits damals und baute seine Stellung weiter aus. Nach Pandemie und Energiekrise brachen Preise ein, während Überkapazitäten aus Asien den Wettbewerb verzerrten. Silizium gelangte zuletzt deutlich unter Herstellungskosten auf den Weltmarkt. Im Vergleich zu den USA, die mit hohen Zöllen reagieren, bleibt Europa zurückhaltend. Diese Asymmetrie verschärft den Standortnachteil zusätzlich.

Ein Muster über den Einzelfall hinaus

Das Ende in Pocking steht nicht isoliert. Auch andere europäische Standorte geraten unter Druck, obwohl sie mit klimafreundlicher Technologie arbeiten. Unternehmen berichten von ruinösem Wettbewerb, mangelhaften Schutzinstrumenten und fehlender Abstimmung zwischen Handels- und Industriepolitik. Während neue Projekte Subventionen erhalten, fehlt Unterstützung für den Erhalt bestehender Kapazitäten. Damit geht nicht nur industrielle Substanz verloren, sondern auch Vertrauen in politische Zusagen.

Anspruch und Realität driften weiter auseinander

Mit der Schließung der letzten Silizium-Fabrik zeigt sich, wie weit politische Zielsetzungen von der Umsetzung entfernt liegen. Die Rohstoffpolitik verspricht Versorgungssicherheit, die Industriepolitik spricht von Resilienz, doch hohe Energiepreise und globale Marktverwerfungen treiben Schlüsselindustrien aus dem Land. Solange dieser Widerspruch besteht, bleibt strategische Autonomie ein Schlagwort ohne Fundament. (KOB)

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