Deutschlands Speicherboom: Probleme mit der Speicherkapazität von Strom

Erneuerbare Energien, die nur wetterabhängig Strom liefern, benötigen Speicherlösungen. Im Fokus stehen dabei chemische Batteriespeicher, die weltweit und auch in Deutschland derzeit einen Boom erleben. Der schnelle Zuwachs verursacht jedoch verschiedene Probleme. Die beiden größten sind laut Expertenmeinung Phantomprojekte und Netzüberlastungen. (fr, 25.11.2025)


Derzeit größtes Speicherprojekt in Gundremmingen

In bayerischen Gundremmingen stand ein Atomkraftwerk, dessen Kühltürme im Herbst 2025 spektakulär gesprengt wurden. Nach dieser Endstation des Rückbaus erfolgte im Oktober 2025 ein symbolischer Spatenstich: Auf dem Gelände des ehemaligen AKWs entsteht nun Deutschlands größter Batteriespeicher, der einen Wendepunkt der deutschen Energiepolitik markieren soll. RWE wird etwa 230 Millionen Euro in die Anlage investieren, die am Ende mit ihrer Kapazität von 700 MWh und einer Dauersollleistung von 400 MW den überschüssigen Solar- und Windstrom auffangen soll, um ihn nachts, im Winter und bei Flaute wieder ins Netz einzuspeisen.

Der Boom von Batteriespeichern bringt Probleme: Phantomprojekte, Netzüberlastung und begrenzte Wirkung gegen Dunkelflauten.
Der Boom von Batteriespeichern bringt Probleme: Phantomprojekte, Netzüberlastung und begrenzte Wirkung gegen Dunkelflauten.

RWE-Chef Markus Krebber veranschaulichte beim Spatenstich die Fähigkeiten des Projekts mit einer Zahl: Der Speicher liefert so viel Strom, dass ein durchschnittliches Elektroauto damit 3,9 Millionen Kilometer fahren könnte. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erhob in seiner Rede den Termin zum Ereignis von nationaler Tragweite. Es gehe schlicht darum, Problemen im Stromnetz vorzubeugen, die sich das Hochindustrieland Deutschland nicht leisten könne. Hierzulande hätten Wirtschaft und Energie oberste Priorität. Mit dem zentralen Baustein des projektierten Speichers werde man die regenerativen Energien zukunftsfähig machen. Den schönen Worten des CSU-Politikers steht allerdings eine ernüchternde Realität gegenüber: Der Boom der Speicher birgt erhebliche Herausforderungen.

Zuwachs bei Speicherkapazitäten in Deutschland

Vor allem chemische Batteriespeicher werden seit etwa fünf Jahren in Deutschland schneller zugebaut, als es das System der Stromversorgung aus Netzkapazitäten und Lastverteilung verkraften kann. Der Open Energy Tracker vom DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) ermittelte dazu folgende Zahlen:

Zwischen 2020 und 2025 erfolgte eine Vervielfachung der deutschen Speicherkapazität auf derzeit (November 2025) rund 23 Gigawattstunden.

Der höchste Kapazitätszuwachs kommt von privaten und gewerblichen Heimspeichern. Sie werden von Eigenheimbesitzern und Mittelständlern zusätzlich zur Fotovoltaik auf dem Hausdach installiert.

Großanlagen mit mehr als einer Megawattstunde Kapazität liefern mittlerweile in Deutschland etwa 3,3 Gigawattstunden. Vor allem sie werden aktuell kräftig zugebaut, wie das Projekt in Gundremmingen zeigt.

Es gibt aber nicht nur chemische Batteriespeicher. Schon immer gab es eine signifikante Differenz zwischen dem Strombedarf tagsüber und nachts. Diese wurde schon im 19. Jahrhundert mit Pumpspeicherkraftwerken reguliert, die überschüssigen Nachtstrom zum Hochpumpen von Wasser aus einem tiefer- in ein höhergelegenes Becken nutzen. Tagsüber fällt es bei erhöhtem Strombedarf wieder nach unten und treibt dabei Generatoren an. Bis heute dominieren diese Pumpspeicherwerke in Deutschland und vielen anderen Ländern die Energiespeicherung. Ihre Kapazität liegt hierzulande bei rund 55 Gigawattstunden. Dieser Wert hat sich seit den frühen 2000er Jahren kaum noch verändert, weil Energiekonzerne, Netzbetreiber und Verbraucher zunehmend auf die günstigeren chemischen Batteriespeicher setzen.

Probleme für die Netzbetreiber

Gerade industrielle und gewerbliche Anbieter wollen den Speicherboom nicht verpassen. Sie projektieren daher fleißig immer neue Vorhaben des Zubaus, was die Netzbetreiber inzwischen unter Druck setzt. Das Branchenportal Regelleistung Online ermittelte für das Jahr 2025 eine Summe an Anschlussanfragen für die großen Batteriespeicher von über 500 Gigawatt Leistung. Kritik an der Antragsflut kommt von Betreibern wie RWE und E.ON. Sie kritisieren das geltende „Windhundprinzip“ (der schnellste Windhund gewinnt): Netzbetreiber müssen die eingehenden Anträge strikt nach Reihenfolge bearbeiten. Auch deshalb gibt es so viele „Papierprojekte“, deren Finanzierung und Realisierung in den Sternen stehen.


Die Antragsteller sind vielfach eher kleine Start-ups, die sich auf diese Weise ein Stück vom Kuchen sichern möchten. Davor warnte jüngst der E.ON-Chef Leonhard Birnbaum. Auf LinkedIn mahnte er eine Anpassung der Genehmigungsregeln an. Ansonsten sei demnächst „das Netz für Jahre dicht“. Der Vorstand von RWE Markus Krebber pflichtet ihm bei. Er schätzt (wahrscheinlich realistisch) ein, dass bis zu 70 Prozent aller eingereichten Projekte niemals umgesetzt werden. Im Einklang mit anderen ernsthaften Investoren fordert er für sämtliche Anschlussbegehren spürbare Reservierungsgebühren.

Schützen die vielen Batteriespeicher vor der Dunkelflaute?

Experten sagen: eher nicht. Sie verschaffen der deutschen Energiewirtschaft kurzfristige Flexibilität, können aber nicht den Ausfall von erneuerbaren Energien bei einer tagelangen Dunkelflaute kompensieren. Daher komme man laut DIW um Gaskraftwerke, wie sie die Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) fordert, nicht herum. Auch Wasserstoffketten können eine große Hilfe sein, sobald diese Technologie kostengünstig funktioniert. Reiche geht daher mit ihrem Vorschlag, wasserstofffähige Gaskraftwerke bauen zu lassen, wahrscheinlich trotz aller Kritik den richtigen Weg.

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