Der Staatskonzern Deutsche Bahn plant den Kauf chinesischer Elektrobusse und steht damit im direkten Gegensatz zu politischen Forderungen nach mehr Standortpatriotismus. Gerade in einer Phase schwacher Konjunktur mahnen führende Politiker industrielle Verantwortung an, während der Staatskonzern ausgerechnet in China bestellt. Diese Entscheidung belastet die Debatte um Elektrobusse, den Einfluss Chinaimporten, die Rolle der Deutschen Bahn und den Anspruch auf Standortpatriotismus zugleich (spiegel: 09.12.25).
Staatskonzern unter politischem Erwartungsdruck
Der Konflikt entzündet sich an der öffentlichen Verantwortung eines Staatskonzerns, denn Eigentümer der Deutschen Bahn bleibt der Bund. Entsprechend hoch fallen die Erwartungen aus, weil politische Forderungen und unternehmerische Praxis auseinanderdriften. SPD-Co-Parteichef und Vizekanzler Lars Klingbeil forderte Ende Oktober 2024 auf einem Kongress der IG BCE ausdrücklich mehr Standortpatriotismus von Unternehmensführungen. Staatliche Unterstützung solle mit klarer Bindung an heimische Produktion einhergehen, damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Kurz darauf bekräftigte der SPD-Vorstand Anfang November 2024 diese Linie in einem Beschluss. Gerade Unternehmen mit staatlicher Beteiligung sollten laut Parteiführung besondere Verantwortung übernehmen. In diesem Kontext gewinnt das Vorgehen der Deutschen Bahn zusätzliche Brisanz, da der Staatskonzern nicht als gewöhnlicher Marktteilnehmer agiert, sondern als öffentlicher Auftraggeber mit Signalwirkung.
Die Bezeichnung öffentlicher Großbetrieb beschreibt diese Rolle treffend, denn wirtschaftliche Entscheidungen entfalten politische Wirkung. Genau deshalb richtet sich die Kritik weniger gegen Elektrobusse an sich, sondern gegen Herkunft und strategische Bewertung der Lieferanten.
Auftragsvergabe an chinesische Hersteller
Anfang April 2024 schrieb die Deutsche Bahn einen umfangreichen Auftrag zur Lieferung von Omnibussen aus. Die Ausschreibung umfasste mehrere Lose und erstreckte sich über mehrjährige Rahmenverträge. Nach übereinstimmenden Informationen ging ein zentraler Teil des Auftrags an den chinesischen Hersteller BYD. Weitere Lose entfielen auf Zhongtong Bus sowie auf MAN, wobei BYD offenbar den Löwenanteil erhielt.
Konkrete Zahlen bestätigte der Konzern nicht, doch im Raum stehen mehrere Tausend Fahrzeuge. Die Bahn verwies lediglich auf ein laufendes Verfahren und verwies auf europäische Tochtergesellschaften der Anbieter. Formal bleibt das korrekt, politisch jedoch wirkt die Konstruktion wenig beruhigend. Schließlich bestellt ein Staatskonzern Elektrobusse über Umwege bei chinesischen Produzenten, während Politiker zeitgleich vor wachsender Abhängigkeit bei Chinaimporten warnen.
Gewerkschaften sehen Gefahr für Arbeitsplätze
Besonders deutlich äußerte sich die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. Deren Vorsitzender Martin Burkert kündigte an, das Thema im Aufsichtsrat zu platzieren. Als Eigentümervertreter trage der Bund Verantwortung, weshalb bloße Appelle nicht ausreichten. Der Staatskonzern müsse zeigen, dass Standortpatriotismus mehr als eine politische Parole darstelle.
Burkert verwies zudem auf aggressive Preisstrategien chinesischer Hersteller. Diese Praxis erhöhe den Druck auf europäische Anbieter und verschärfe den Wettbewerb in einem ohnehin angespannten Markt. Zwar produziert BYD inzwischen auch in Ungarn, doch die strategische Abhängigkeit bleibe bestehen. Aus Sicht der EVG drohe so ein schleichender Verlust industrieller Substanz.
Symbolkraft über den Verkehrssektor hinaus
Der Fall besitzt Bedeutung weit über die Deutsche Bahn hinaus. Elektrobusse gelten als Schlüsseltechnologie der Verkehrswende, weshalb staatliche Beschaffung besondere Aufmerksamkeit erhält. Wenn ein Staatskonzern hier vorrangig auf Chinaimporte setzt, während Standortpatriotismus politisch eingefordert bleibt, entsteht ein schwer auflösbarer Widerspruch.
Auch als Bundesunternehmen agiert die Bahn nicht im luftleeren Raum. Jede größere Entscheidung beeinflusst Debatten über Industriepolitik, Wettbewerb und Beschäftigung. Genau deshalb rückt der öffentliche Versorger ins Zentrum der Kritik. Der Vorgang verdeutlicht, wie eng wirtschaftliche Effizienz und politische Verantwortung miteinander verknüpft bleiben.
Am Ende steht weniger die Frage nach einzelnen Bussen, sondern nach Glaubwürdigkeit. Ein Staatskonzern, der anders handelt als politisch gefordert, liefert Angriffsfläche. In wirtschaftlich angespannten Zeiten reicht Neutralität nicht mehr aus, denn staatliche Unternehmen fungieren als Vorbilder. Genau daran misst sich die Deutsche Bahn nun.
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