Das stille Sterben der Leiterplatten-Industrie in Deutschland

Deutschlands Leiterplatten-Industrie steht am Scheideweg. Die Schließung des Werks von Würth Elektronik in Schopfheim zeigt die dramatische Entwicklung. „Es tut weh, das Werk zu schließen“, erklärt Geschäftsführer Daniel Klein. Die Fabrik sei für den heutigen Markt zu groß gewesen. Seit Jahren verliert die Branche Marktanteile – und mit ihr schwindet die technologische Souveränität des Landes (handelsblatt: 31.05.25).


Chinesische Billigprodukte gefährden Europas Technologie

Leiterplatten sind essenziell für jede elektronische Anwendung – in Autos, Flugzeugen und Medizingeräten. Dennoch schrumpft die Zahl deutscher Hersteller rapide. Von über 500 im Jahr 2000 sind weniger als 200 übrig. Hauptgrund: Konkurrenzlos günstige Leiterplatten aus China. Deutsche Produzenten berichten, dass ihre Materialkosten oft über dem Endpreis asiatischer Ware liegen. Zudem subventioniert Peking seine Hersteller massiv.

Leiterplatten aus Deutschland verschwinden. Warum eine Schlüsselindustrie stirbt – und was jetzt geschehen muss
Leiterplatten aus Deutschland verschwinden. Warum eine Schlüsselindustrie stirbt – und was jetzt geschehen muss

Branchenvertreter schlagen Alarm. Clemens Otte vom ZVEI fordert politische Konsequenzen: Die im Koalitionsvertrag festgelegten Sicherheitsanforderungen für kritische Komponenten müssten nun gelten. In der Vereinbarung steht: „In sensiblen Bereichen der kritischen Infrastruktur dürfen ausschließlich vertrauenswürdige Komponenten verbaut werden.“ Bisher ignorieren viele Einkäufer dieses Risiko – der Preis dominiert weiterhin jede Entscheidung.

Sicherheit und Versorgung in Gefahr

Leiterplatten gehören zur sicherheitsrelevanten Infrastruktur. Manipulationen an ihnen könnten gravierende Folgen haben. Deshalb verlangen Industrievertreter verbindliche Vorgaben: Kritische Systeme in der Rüstung, Kommunikation und Medizintechnik sollen ausschließlich mit europäischen Leiterplatten betrieben werden. In den USA gibt es solche Regeln bereits.

Thomas Michels, Geschäftsführer des Herstellers Ilfa, fordert ein klares Bekenntnis: „Wir brauchen den politischen Willen, unsere Branche zu erhalten, um nicht von Anbietern aus Fernost abhängig zu sein.“ Unabhängigkeit ist allerdings teuer. Elektronikexperte Peter Fintl betont, dass die EU stärker kooperieren müsse, um wettbewerbsfähige Strukturen aufzubauen.

Staatliche Förderung greift zu kurz

Der Fokus der bisherigen Förderpolitik liegt klar auf Halbleitern. Milliardensummen flossen an TSMC und Infineon, um Halbleiterwerke in Deutschland zu errichten. Die Hersteller von Leiterplatten gehen dabei weitgehend leer aus. Würth Elektronik mit 180 Millionen Euro Umsatz und Ilfa mit rund 20 Millionen fordern eine breitere Sichtweise. ZVEI-Manager Otte bringt es auf den Punkt: „Die Politik muss die gesamte Elektroniklieferkette betrachten.“

Gleichzeitig appellieren die Unternehmen an die Wirtschaft. Die Zollpolitik der USA habe gezeigt, wie brüchig globale Lieferketten sind. Für Michels steht fest: „Es muss in die Köpfe der Chefs, dass es nicht so weitergehen kann, immer nur beim Billigsten zu kaufen.“ Wer ausschließlich auf Fernost setzt, riskiert Produktionsstillstand.


Neue Chancen durch Spezialisierung und regionale Beschaffung

Ein Hoffnungsschimmer bleibt. Nach einem schwierigen Jahr zieht die Nachfrage wieder an. „Die Lager der Kunden sind leer, die Bedarfe ziehen an. Das macht uns Mut“, so Klein. Ilfa profitiert von einem klaren Kurswechsel. Der Fokus auf Rüstung und Medizintechnik bringt Wachstum – ganz ohne Zulieferer aus China.

Eine Rückkehr zur früheren Marktmacht erwartet in der Branche niemand. Früher stammte jede fünfte Leiterplatte aus Europa. Heute liegt der Anteil bei rund zwei Prozent. Klein formuliert nüchtern: „Es geht darum, wenigstens einen kleinen Kern zu erhalten.“ Die Zukunft der europäischen Leiterplatten hängt nun davon ab, ob Politik und Industrie endlich gemeinsam handeln.

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