Chinas Solarindustrie in der Krise – Überkapazität führt zu Massenentlassungen

Chinas größte Solarunternehmen haben im vergangenen Jahr fast ein Drittel ihrer Belegschaft verloren. Unternehmensberichte zeigen, dass Longi Green Energy, Trina Solar, Jinko Solar, JA Solar und Tongwei zusammen rund 87.000 Arbeitsplätze gestrichen haben. Das entspricht durchschnittlich 31 Prozent ihrer Mitarbeiter. Die Branche, die Peking einst gezielt als Wachstumsmotor förderte, steckt in einer tiefen Krise. Überkapazität, sinkende Preise, hohe Verluste und ein gnadenloser Wettbewerb verschärfen die Lage (reuters: 04.08.25).


Preisverfall und Überkapazität setzen Firmen unter Druck

Die weltweite Produktion von Solarmodulen liegt inzwischen doppelt so hoch wie der Bedarf. Der Großteil stammt aus chinesischen Fabriken. Analysten berichten, dass die Jobverluste nicht nur durch Entlassungen, sondern auch durch sinkende Löhne und Arbeitszeiten entstanden sind. Hintergrund sind massive Verluste, die durch Preisverfall und einen ruinösen Wettbewerb entstanden sind. Ein Experte beschreibt die Lage drastisch: „Die Industrie hat seit Ende 2023 mit einem Abschwung zu kämpfen. In 2024 hat sich die Lage verschärft. In 2025 sieht es noch düsterer aus.“

Chinas Solarbranche leidet unter Überkapazität - Milliardenverluste und Abbau von fast einem Drittel aller Arbeitsplätze
Chinas Solarbranche leidet unter Überkapazität – Milliardenverluste und Abbau von fast einem Drittel aller Arbeitsplätze

Seit Anfang 2024 haben mehr als 40 Solarunternehmen Insolvenz angemeldet, sich vom Markt zurückgezogen oder sind übernommen worden. Zwischen 2020 und 2023 errichteten Hersteller in rasantem Tempo neue Fabriken, da der Staat Kapital aus dem schwächelnden Immobiliensektor in Zukunftsindustrien wie Solartechnik, Elektroautos und Batterien lenkte.

Preis­krieg verschärft durch US-Handelsbarrieren

Der schnelle Ausbau führte zu massiver Überproduktion und sinkenden Preisen. Hinzu kamen US-Zölle auf Produkte aus chinesischen Fabriken in Südostasien. Das Ergebnis: ein brutaler Preis­krieg und Verluste von rund 60 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr. Branchenkenner sehen darin eine der größten Krisen seit Beginn des Booms.

Ob die Jobverluste in diesem Jahr anhalten, ist unklar. Peking sendet jedoch immer stärkere Signale, die Produktionskapazitäten reduzieren zu wollen. Im Juli stiegen die Polysiliziumpreise um fast 70 Prozent, während Modulpreise nur leicht anzogen.

Staatliche Eingriffe in Vorbereitung

Der große Polysiliziumproduzent GCL erklärte, führende Hersteller planten eine Art OPEC-Struktur, um Preise und Angebot zu steuern. Zusätzlich entstehe ein Fonds über 50 Milliarden Yuan, um ein Drittel minderwertiger Produktionskapazitäten aufzukaufen und stillzulegen. Präsident Xi Jinping forderte Anfang Juli ein Ende des „ungeordneten Preiswettbewerbs“. Wenige Tage später kündigte das Industrieministerium an, Preis­kämpfe einzudämmen und veraltete Produktionslinien abzuschalten.

Eine Quelle mit direktem Einblick berichtete, dass die Regierung das Thema noch in diesem Jahr vor Ende des aktuellen Fünfjahresplans priorisieren will. In der Provinz Anhui forderten Beamte Unternehmen bereits im Juni auf, keine neuen Fertigungsanlagen zu errichten und Linien unter 30 Prozent Auslastung aufgrund der aktuellen Überkapazität stillzulegen.

Provinzen zögern bei harten Maßnahmen

Trotz dieser Anweisungen setzen viele Provinzregierungen auf Zurückhaltung. Die Verantwortlichen werden an Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen gemessen, daher fehlt oft der Wille, lokale Vorzeigeunternehmen zu opfern. Ein Vorstandsmitglied eines Solarherstellers erklärte, dass neue Kapazitäten seit diesem Jahr nur noch mit mündlicher Genehmigung der mächtigen nationalen Planungsbehörde NDRC entstehen dürfen.

Trina Solars Vorsitzender bestätigte auf einer Branchenkonferenz im Juni, dass trotz des NDRC-Aufrufs zum Stopp im Februar neue Projekte angelaufen sind. Diese Verzögerung zeigt das Ausmaß der notwendigen Einschnitte. Ein Analyst schätzt, dass 20 bis 30 Prozent der Produktionskapazität verschwinden müssten, um wieder Gewinne zu erzielen.


Historische Dimension der Krise

„In China gibt es in vielen Branchen Überkapazitäten – bei Stahl, bei Zement – aber keine Branche hat seit anderthalb Jahren durchgehend Verluste in dieser Größenordnung erlitten“, betont Jefferies-Analyst Alan Lau. Die Verluste pro Unternehmen erreichen Werte wie in der Immobilienkrise, obwohl die Solarbranche nur ein Zehntel so groß ist.

„Das ist höchst ungewöhnlich und in dieser Form äußerst selten“, fasst Lau zusammen. Die kommenden Monate dürften entscheidend dafür sein, ob Peking den Spagat zwischen Abbau der Überproduktion und Erhalt von Arbeitsplätzen schafft – oder ob die Krise der Solarindustrie noch tiefer wird.

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