Die deutsche Industrie steht am Abgrund. Besonders die Chemiebranche zeigt, wie tief die Chemiekrise reicht. Produktion und Umsatz brechen ein, während hohe Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit zerstören. Die Deindustrialisierung schreitet voran, doch die aktuelle Industriepolitik verschärft die Probleme zusätzlich. Die Zahlen des Branchenverbands VCI sprechen eine klare Sprache: Ohne radikalen Neustart droht ein dauerhafter Niedergang.
Produktion am Abgrund
Im Juli sackte die Chemieproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 6,9 Prozent ab. Seit 2018 summiert sich der Einbruch auf fast 22 Prozent. Ganze Wertschöpfungsketten brechen weg. Parallel schrumpfte der Umsatz um 5,4 Prozent. Besonders alarmierend: Die Kapazitätsauslastung liegt bei nur noch 71 Prozent. Schließungen und Jobverluste zeichnen sich damit deutlich ab.

Der ifo-Konjunkturtest bestätigt den Absturz. Geschäftserwartungen und Auftragslage stürzen gleichermaßen. Auch die Deindustrialisierung wird hier sichtbar. Die Auslandsnachfrage bricht ein, während im Inland Bau, Maschinenbau und Autoindustrie keine Impulse liefern. Lediglich die Pharmabranche wächst – sie konnte ihre Produktion um zehn Prozent steigern, getragen von globaler Nachfrage und unabhängigen Marktmechanismen.
Steuerpläne verschärfen die Chemiekrise
Gleichzeitig geraten die öffentlichen Haushalte unter Druck. Sinkende Einnahmen veranlassen die Regierung zu höheren Steuern. Der SPD-Vorschlag, das Ehegattensplitting abzuschaffen, soll bis zu 25 Milliarden Euro bringen. Doch statt Strukturreformen verschärft diese Industriepolitik die Chemiekrise. Höhere Abgaben belasten die Konjunktur zusätzlich und treiben den Standort weiter an den Abgrund.
Der VCI fordert deshalb einen radikalen Kurswechsel. Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup erklärt: „Jetzt braucht es einen echten Reset – radikal, kompromisslos.“ Regulierung und Bürokratie müssten umfassend zurückgeschnitten werden. Nur eine echte Modernisierung könne die Deindustrialisierung stoppen.
Industriepolitik ohne Mut
Auch VCI-Präsident Markus Steilemann verlangt klare Entscheidungen. Energiekosten müssten sinken, Innovationen gefördert und die EU-Regeln angepasst werden. Die „Chemieagenda 2045“ soll dabei als Motor dienen. Doch ohne mutige Industriepolitik bleibt dieser Plan wirkungslos. Unternehmen sehen ihre Zukunft durch die extremen Energiekosten bedroht.
Die Abhängigkeit von Subventionen macht die Lage zusätzlich problematisch. Viele Funktionäre schweigen, da milliardenschwere Hilfen die Kritik dämpfen. So trägt die Branche selbst dazu bei, dass der dringend nötige Kurswechsel ausbleibt.
Klimaziele und der Abgrund der Wettbewerbsfähigkeit
Die eigentlichen Ursachen benennt die Branche kaum. Der Green Deal, der Atomausstieg und wachsende Regulierung verschärfen die Krise. Dennoch bekennt sich der Verband zu den Klimazielen und betrachtet die Chemie als Schlüssel zur CO₂-Reduktion. Dieser Kurs verschiebt die Prioritäten und lässt den Abgrund der Wettbewerbsfähigkeit noch tiefer werden.
Die Branche steckt im Widerspruch. Einerseits fordert sie schnelle Hilfen, andererseits unterstützt sie eine Politik, die ihre Basis untergräbt. Solange Energiepreise hoch bleiben und Industriepolitik an Ideologien ausgerichtet ist, schreitet die Deindustrialisierung ungebremst voran. Nur durch entschlossene Reformen bei Bürokratie, Steuern und Energiekosten ließe sich der Abstieg aufhalten. Ohne diese Schritte bleibt der „radikale Reset“ ein verzweifelter Ruf aus einer Branche am Rand des Abgrunds. (KOB)
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