Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie IGBCE, Michael Vassiliadis, äußerte Bedenken über die Auswirkungen der Energiewende auf Arbeitsplätze in energieintensiven Industriezweigen. In Deutschland sind über eine Million Menschen in Branchen wie der Chemieindustrie, Keramik-, Glas- und Zementproduktion tätig, die aufgrund hoher Energiepreise und eingeschränkter Versorgungssicherheit unter Druck stehen. Vassiliadis schätzt, dass etwa 30 Prozent dieser Arbeitsplätze gefährdet sein könnten, wenn die Energieversorgung in den kommenden Jahren problematisch bleibt (FAZ: 20.05.23).
Industrieller Wandel erfordert ganzheitliche Strategie: Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit im Fokus
Er betonte jedoch, dass Arbeitsplatzverluste vermieden werden können, insbesondere da diese Industrien traditionell kapitalintensiv sind. Die Herausforderung besteht darin, die teuren Anlagen wirtschaftlich rentabel zu betreiben, um die Wertschöpfungsketten in Deutschland zu erhalten. Hierfür ist es wichtig, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Energiepreise im Rahmen zu halten. Dies erfordert politische Gestaltung und Unterstützung.
Der IGBCE-Chef betonte die Bedeutung einer ganzheitlichen industriepolitischen Strategie, ähnlich wie im Inflation Reduction Act in den USA. Neben finanzieller Unterstützung sind Maßnahmen wie Infrastrukturprojekte, Genehmigungsverfahren, Standortpolitik und Arbeitsgenehmigungen entscheidend, um die verschiedenen Wertschöpfungsstufen miteinander zu verknüpfen.
Industrieller Wandel erfordert realistische Ziele und pragmatische Maßnahmen für Klimaschutz und Wertschöpfungserhalt
Er wies auch auf die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen verschiedenen Stufen der Wertschöpfung hin. Die Herstellung einiger Grundstoffe erfordert einen hohen Energieaufwand, während die Wertschöpfung weiter hinten in der Kette stattfindet. Wenn diese frühen Stufen wegfallen, kann dies negative Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette haben. Vassiliadis nannte das Beispiel von Ammoniak, bei dem eine sichere Energieversorgung entscheidend ist, um die Produktion von Folgeprodukten aufrechtzuerhalten.
Angesichts des billigen Gases in den USA betonte Vassiliadis, dass Deutschland sich realistische und pragmatische Ziele setzen müsse, um das Klima zu schützen und gleichzeitig die industrielle Wertschöpfung im Land zu erhalten. Dies erfordert staatliche Zuschüsse und Effizienzsteigerungen in der Industrie. Es wird auch zu Mengenreduktionen kommen, da Deutschland weniger exportieren wird. Trotzdem ist es möglich, einen Großteil der industriellen Wertschöpfung im Land zu halten, wenn die Maßnahmen richtig umgesetzt werden.
Wasserstoffnutzung und Zukunft der STEAG: IGBCE-Chef betont Prioritäten und zukunftsfähige Konzepte
In Bezug auf die Wasserstoffnutzung betonte Vassiliadis, dass prioritäre Maßnahmen für Großabnehmer und eine klare Infrastrukturplanung erforderlich sind. Er betonte auch, dass zunächst auch konventioneller Wasserstoff aus fossilen Energien akzeptiert werden sollte, da sonst Unternehmen nicht auf Wasserstoff umstellen werden. Es sei wichtig sicherzustellen, dass eine Wasserstoffinfrastruktur in absehbarer Zukunft vorhanden ist, um den Übergang zu ermöglichen.
Vassiliadis äußerte sich zur Rolle der Bundesregierung und betonte, dass eine ausgewogene Herangehensweise erforderlich sei. Während der Klimaschutz wichtig ist, müssen auch pragmatische Lösungen gefunden werden, um schnell voranzukommen. Er betonte die Bedeutung von Effizienz und betonte, dass Deutschland sich auf handhabbare Ziele konzentrieren sollte, anstatt sich ausschließlich auf weit entfernte Ziele zu konzentrieren.
Abschließend äußerte er sich zur STEAG, einem deutschen Kohlestromerzeuger, dessen Verkauf geplant ist. Der IGBCE-Chef betonte auch die Bedeutung eines zukunftsfähigen Konzepts für das Unternehmen und warnte vor einer Zerschlagung, da dies sowohl energiepolitisch als auch wirtschaftlich nachteilig wäre. Er betonte die Potenziale der Standorte der Kohlekraftwerke für zukünftige Gaskraftwerke und die Wasserstoffproduktion.