Bundesregierung plant Zugriff auf Guthaben ruhender Konten

Milliardenbeträge auf deutschen Bankkonten stehen plötzlich zur Disposition – obwohl sie nicht dem Staat gehören. Die Bundesregierung will Gelder sogenannter nachrichtenloser Konten in einen Fonds überführen und damit soziale Projekte finanzieren. Gemeint sind Konten, auf denen über Jahre keine Bewegungen verzeichnet wurden, häufig weil die Inhaber verstorben sind. Doch der Zugriff auf dieses Geld droht Grundrechte zu untergraben und Eigentumsgrenzen zu verwischen (mdr: 30.05.25).


Zugriff auf ruhende Konten ohne rechtliche Klarheit

Im Koalitionsvertrag der Regierung findet sich die vage Absicht, diese vermeintlich herrenlosen Gelder dem Staat zuzuführen. Doch zentrale Fragen bleiben ungeklärt: Ab wann gilt ein Konto als „unbewegt“? Wie lange darf ein Konto ruhen, bevor der Staat sich Zugriff verschafft? Thorsten Höche, Chefjustiziar des Deutschen Bankenverbands, bringt die Unsicherheit auf den Punkt: „Die Frage eines unbewegten Kontos ist eine Frage des Zeitraums – nach welchem Zeitraum, wenn da keine Bewegung stattgefunden hat, will der Staat auf die Mittel zugreifen?“ Ein gesetzlicher Rahmen fehlt bislang vollständig.

Die Bundesregierung plant den Zugriff auf ruhende Konten und will Milliarden ungenutzter Guthaben für soziale Projekte einsetzen
Die Bundesregierung plant den Zugriff auf ruhende Konten und will Milliarden ungenutzter Guthaben für soziale Projekte einsetzen

Eigentumsrechte drohen ausgehebelt zu werden

Noch brisanter ist der drohende Eingriff in die Eigentumsrechte von Bankkunden. Höche warnt klar: „Grundsätzlich ist es schon so, das ist natürlich auch ein Eingriff in Eigentumsrechte des Erblassers bzw. des Bankkunden.“ Der Staat könnte also künftig Gelder einkassieren, obwohl der rechtmäßige Eigentümer noch lebt – nur weil keine Aktivität auf dem Konto zu erkennen ist. Diese Praxis würde dem Grundsatz der Unverfügbarkeit fremden Eigentums eklatant widersprechen. Dass ein demokratischer Rechtsstaat überhaupt eine solche Maßnahme prüft, ist mehr als fragwürdig.

Staat als Erbe nur im Ausnahmefall

Nach geltendem Recht wird der Staat nur dann zum Erben, wenn keine Verwandten auffindbar sind. Vorher sind Banken und Nachlassgerichte verpflichtet, mögliche Erben zu ermitteln. Erst wenn diese Suche erfolglos bleibt, fließt das Geld an das Bundesland des letzten Wohnsitzes des Verstorbenen. Auch dann genießt der Staat keinerlei Sonderstatus. „Dann wird das Erbrecht des Fiskus festgestellt, der dann im Grunde ganz normal, wie jeder andere Erbe auch, die Ansprüche gegenüber Banken und anderen Schuldnern geltend machen kann“, erläutert Höche.

Bankkunden entrechtet – Gesetz droht Türöffner zu werden

Ein gesetzlich legitimierter Zugriff auf ruhende Konten ohne Erbklärung würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Heute geht es um verwaiste Vermögen, morgen vielleicht um andere Formen ungenutzter Guthaben. Die Idee, dass der Staat pauschal Gelder abschöpft, die ihm nicht gehören, verletzt das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Finanzinstitut. Gerade ältere Menschen oder Auslandsdeutsche, deren Konten nur selten genutzt werden, geraten so unter Generalverdacht.

Milliarden-Schattenhaushalt ohne demokratische Kontrolle?

Von zwei bis neun Milliarden Euro ist die Rede – doch selbst diese Summe rechtfertigt keinen Bruch mit Eigentumsgrundsätzen. Die geplante Umwidmung der Mittel in einen Fonds für soziale Zwecke entzieht das Geld dem Haushalt und damit der demokratischen Kontrolle. Einmal eingeführt, ließe sich ein solcher Schattenhaushalt beliebig ausweiten. Dass die Bundesregierung dies nicht als massiven Eingriff erkennt, offenbart eine gefährliche Geringschätzung bürgerlicher Vermögensrechte.


Politischer Aktionismus statt rechtlicher Seriosität

Bislang liegt nur eine Absichtserklärung im Koalitionsvertrag vor – ein konkreter Gesetzentwurf fehlt. Doch allein der Vorstoß zeigt, in welche Richtung sich das Staatsverständnis entwickelt: weg vom Bewahrer individueller Rechte, hin zum aktiven Zugriff auf fremde Werte. Banken und Verbände schlagen bereits Alarm. Ob dieser Protest die Regierung von einem rechtlich und moralisch fragwürdigen Zugriff abhält, bleibt offen. Klar ist: Der Staat tastet hier an einer Stelle an, die unantastbar sein sollte.

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