Belgiens Parlament beschließt mit deutlicher Mehrheit den Wiedereinstieg in die Atomkraft

Belgiens Parlament hat den jahrzehntelang geplanten Atomausstieg offiziell beendet. Mit deutlicher Mehrheit stimmten 120 Abgeordnete für die Verlängerung der Laufzeiten bestehender Reaktoren und für den Bau neuer Anlagen. Nur acht Stimmen entfielen auf die Gegenseite, 31 Mandatsträger enthielten sich. Ministerpräsident Bart De Wever verfolgt das Ziel, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern und die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Der Kurswechsel erfolgt inmitten geopolitischer Spannungen und wachsender Sorge um Versorgungssicherheit. Belgien betreibt aktuell zwei Kernkraftwerke mit insgesamt sieben Reaktoren, wobei drei bereits abgeschaltet sind (welt: 16.05.25).


Parlamentarische Mehrheit beendet jahrelange Debatte

Der Atomausstieg galt in Belgien seit 2003 als Gesetz. Die letzten Reaktoren der Kraftwerke in Doel bei Antwerpen und Tihange im Süden sollten bis 2025 abgeschaltet sein.

Belgien kehrt zur Atomkraft zurück - das Parlament hat mit großer Mehrheit Laufzeitverlängerungen und den Bau neuer Reaktoren beschlossen
Belgien kehrt zur Atomkraft zurück – das Parlament hat mit großer Mehrheit Laufzeitverlängerungen und den Bau neuer Reaktoren beschlossen

Doch eine dauerhafte Einigung blieb über Jahre aus. Energiepolitische Notwendigkeiten, wirtschaftliche Erwägungen und sicherheitspolitische Überlegungen hielten die Diskussion in Gang. Der endgültige Beschluss erfolgte nun durch eine stabile parlamentarische Mehrheit.

Sicherheitspolitik verdrängt Ausstiegsideale

Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine rückte die Frage der Versorgungssicherheit ins Zentrum der Debatte. 2022 legte die belgische Regierung die Pläne für einen vollständigen Ausstieg auf Eis. Zwei Reaktoren – jeweils einer in Doel und Tihange – sollen nun bis mindestens 2035 in Betrieb bleiben. Die Energiekrise, gestiegene Preise und geopolitische Unsicherheit trugen zur Neubewertung bei. Belgien folgt damit einem Kurs, den auch Frankreich und die Niederlande eingeschlagen haben.

Kritik aus dem Nachbarland bleibt bestehen

Die Kritik aus Deutschland bleibt trotz der neuen Linie bestehen. Die belgischen Reaktoren stammen aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Immer wieder wurden bauliche Mängel festgestellt. Besonders das Kernkraftwerk Tihange sorgt für Unruhe: Nur 60 Kilometer von Aachen entfernt, lösten Sicherheitsberichte mehrfach Proteste aus. „Immer wieder marode Betonteile und andere Störungen – das kann nicht ignoriert werden“, betonten Vertreter der Stadt Aachen. Auch die Bundesregierung sprach sich mehrfach für eine Abschaltung einzelner Reaktoren aus. In Belgien fand diese Kritik jedoch nur bei einer Minderheit im Parlament Gehör.


Mehrheit der Parteien setzt auf langfristige Eigenversorgung

Die neue belgische Linie setzt auf eine Renaissance der Atomkraft. Neue Reaktoren sollen nicht nur geplant, sondern auch zeitnah gebaut und ans Netz gebracht werden. Die Mehrheit der Regierungsparteien betrachtet Atomstrom als unverzichtbaren Teil der künftigen Energiepolitik. Im Gegensatz dazu setzt Deutschland weiterhin auf einen vollständigen Verzicht: Dort gingen im April 2023 die letzten drei Kernkraftwerke endgültig vom Netz.

Belgien richtet seinen Blick nach vorn – mit Atomkraft als zentralem Baustein der Versorgung. Der politische Kurswechsel spiegelt ein neues sicherheitspolitisches Denken wider, das Risiken bewusst einkalkuliert, um Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Unabhängigkeit zu stärken.

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