Aufgrund des großen Zubaus an Photovoltaikanlagen ist das regionale Stromnetz in Bayern an vielen Stellen bereits an seiner Kapazitätsgrenze angekommen. Dies führt dazu, dass im Nördlinger Ries mittelgroße Photovoltaik-Anlagen nicht mehr ans Netz gehen können (BR: 10.02.23)
Netzengpässe in Bayern: Große Photovoltaikanlagen können nicht angeschlossen werden
Axel Güthner, Chef eines Eisen- und Sanitärgroßhandels in Oettingen im Landkreis Donau-Ries, plante die Installation einer mittelgroßen Photovoltaikanlage mit 300 kW Leistung auf dem Hallendach seiner Firma. Doch Netze ODR, der Netzbetreiber im Nördlinger Ries, lehnte das Vorhaben ab, da das Stromnetz in der Region bereits ausgelastet ist. Während kleine Anlagen auf Privathausdächern noch angeschlossen werden könnten, sei dies bei größeren Anlagen nicht mehr möglich.
Unternehmer Axel Güthner fragt sich, wie Bayern die Energiewende schaffen will, wenn das regionale Stromnetz nicht mit dem Zubau an Photovoltaikanlagen mithalten kann. Seiner Meinung nach macht es doch Sinn den Strom dort zu produzieren, wo man ihn auch benötigt, vor allem auf Dächern. Obwohl er einen Großteil des Stroms seiner geplanten Photovoltaikanlage selbst verbraucht hätte, gibt es für die Anlage keine Genehmigung, da das Stromnetz in der Region bereits ausgelastet ist. Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, erklärt, dass es bayernweit zu Netzengpässen kommt und der Netzausbau nicht mit dem Zubau an Photovoltaikanlagen mithalten kann. Besonders betroffen ist der ländliche Raum, wo die Zuwachsraten am höchsten sind.
Bayerns Stromnetz am Limit: Netzbetreiber sehen „gewaltige Aufgaben“ auf sich zukommen
Mehrere bayerische Netzbetreiber haben dem BR zufolge bestätigt, dass es bei viel Sonnenschein Engpässe für die Aufnahme von regenerativ erzeugtem Strom gibt. Die N-ergie Netze GmbH aus Nürnberg gibt an, dass die Kapazitäten im Stromnetz des Unternehmens bereits weitgehend ausgereizt sind. Der schwäbische Netzbetreiber LEW Verteilnetz sieht sich mit Blick auf die Zukunft vor „gewaltigen Aufgaben“. Um die Ziele der Klimapolitik zu erreichen, müssten noch viel mehr Photovoltaikanlagen als bisher am Netz sein, sogar das Dreifache. Doch dafür bleibt nur noch eine Zeit von sieben Jahren.
Es hat sieben Jahre gedauert, bis die Genehmigung für den Ausbau der regionalen Hochspannungsleitung von Ellwangen nach Nördlingen erteilt wurde, wie Sebastian Maier, technischer Vorstand bei EnBW ODR, berichtet. Der Netzausbau würde helfen, die geplante Photovoltaikanlage in Oettingen anzuschließen und mehr Strom in die großen Verteilnetze fließen zu lassen. Der Netzausbau wäre in diesem Fall relativ einfach, da auf den bestehenden Masten weitere Leitungsseile verlegt werden könnten. Allerdings wartete das zuständige Unternehmen Netze BW allein zweieinhalb Jahre auf einen Termin beim Oberlandesgericht Mannheim, um den Einspruch einer Bürgerinitiative zu behandeln, bevor der Einspruch schließlich abgewiesen wurde.
Bürokratie bremst Netzausbau: Technik für geplante Hochspannungsleitung aufgrund langer Genehmigung bereits veraltet
Die geplante Hochspannungsleitung ins Nördlinger Ries soll in etwa zwei Jahren fertiggestellt sein, aber die Technologie ist bereits veraltet, so EnBW-ODR-Vorstand Sebastian Maier. Bei Beginn der Planung vor sieben Jahren war der Stand der Technik anders. Die neue Technologie wäre das Doppelleitersystem, mit der die Übertragung der doppelten Leistung möglich wäre. Dazu bedarf es allerdings einer neuen Genehmigung, was weitere sieben Jahre dauern könnte. Maier befürchtet, dass sie daher mit veralteter Technologie bauen müssen.
Die bayerische Staatsregierung hat 100 neue Stellen geschaffen, um die Genehmigungsprozesse für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Das Wirtschaftsministerium beklagt lange Genehmigungsverfahren und verweist auf den fast dreieinhalbjährigen Bau eines Umspannwerks. Trotz der Maßnahmen vonseiten der Regierung fordert Sebastian Maier von EnBW ODR eine drastische Verkürzung der Genehmigungsverfahren, um von einer langsamen Bürokratie-Geschwindigkeit zu einer schnelleren „Macher-Geschwindigkeit“ überzugehen.
Anfragen für Photovoltaikanlagen verdoppelt, Fachkräftemangel und Materialengpässe bremsen Ausbau des Stromnetzes.
Die Kapazitätsgrenze im regionalen Stromnetz ist mittlerweile bereits erreicht. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Anfragen für neue Photovoltaikanlagen stark an. Laut Bayernwerk Netz haben sich die Anfragen von rund 3.000 pro Monat im Jahr 2021 auf rund 6.000 pro Monat im Jahr 2022 verdoppelt. Wirtschaftsministerium und Netzbetreiber verweisen neben den Genehmigungsverfahren auch auf Fachkräftemangel und Materialengpässe als Gründe für den langsamen Ausbau des Netzes.
Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft betont, dass der Ausbau der Stromleitungen allein nicht ausreicht, um die Energiewende zu realisieren, da in Bayern bereits mehr Solarstrom produziert werde, als verbraucht werden könne. Daher sei es notwendig, tausende von Batteriespeichern zu installieren. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger teilt diese Ansicht und hat vor kurzem die beiden größten Energiespeicher Bayerns in Mittel- und Unterfranken in Betrieb genommen, die mehrere Zehntausend Haushalte für eine Stunde mit Strom versorgen können.
Detlef Fischer betont, dass trotz der Errichtung von Stromspeichern das Problem bestehen bleibt, wie man den im Sommer produzierten Photovoltaikstrom im Winter nutzen kann. Eine Lösung könnte die Umwandlung des Stroms in Wasserstoff sein. Axel Güthner aus Oettingen schlägt vor, dass der Netzbetreiber seine Photovoltaikanlage bei Überproduktion vom Netz nehmen darf, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich zu zahlen.