Arbeitsmarkt – immer weniger Arbeitslose haben eine Chance einen Job zu bekommen

Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnet seit Jahren sinkende Übergangschancen aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung. Nur noch 5,6 von 100 Arbeitslosen finden monatlich eine Stelle – deutlich weniger als vor der Pandemie. Die Jobkrise verschärft sich, weil die Wahrscheinlichkeit, aus Arbeitslosigkeit heraus tatsächlich eingestellt zu werden, auf ein historisches Tief sinkt. Gleichzeitig verschwinden Monat für Monat tausende Stellen durch Stellenabbau und Industrieabwanderung. Der oft genannte Fachkräftemangel existiert zwar, aber er löst das Problem nicht – er steht vielmehr neben einer Realität, in der viele Arbeitslose keine reale Eintrittschance erhalten.


Arbeitsmarkt droht zu erstarren

Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind eindeutig. Nur 5,6 von 100 Arbeitslosen schaffen es derzeit monatlich in ein Beschäftigungsverhältnis. Vor der Pandemie lag dieser Wert deutlich höher. 2019: 7,40 Prozent. 2020: 6,12 Prozent. 2023: 5,74 Prozent. 2024: 5,71 Prozent. Der Arbeitsmarkt verliert also systematisch seine Durchlässigkeit. Betroffene bewerben sich weiterhin, aber sie treffen auf zu wenige realistische Einstiegsmöglichkeiten.

Immer weniger Arbeitslose bekommen eine reale Jobchance. Einstellungsquote sinkt, Stellen verschwinden, Industrie wandert ab
Immer weniger Arbeitslose bekommen eine reale Jobchance. Einstellungsquote sinkt, Stellen verschwinden, Industrie wandert ab

Gleichzeitig schrumpfen die Stellenangebote real. In Automobilindustrie, Chemie und Stahl gehen Monat für Monat rund 10.000 Jobs verloren. Unternehmen reduzieren Belegschaften oder verlagern ganze Produktionsbereiche ins Ausland. Diese Standortverlagerung zieht Regionen wirtschaftliche Grundlage ab – und der Arbeitsmarkt reagiert, indem er Chancen weiter verengt.

Es gibt neue Stellen – aber sie sind für viele nicht erreichbar

„Die Arbeitslosigkeit steigt seit drei Jahren und verharrt jetzt in der Talsohle“, sagt BA-Sprecher Christian Weinert. Die Wirtschaft wandelt sich. Alte Tätigkeiten verschwinden. Neue entstehen. Doch diese neuen Jobs sind für viele Arbeitslose faktisch nicht zugänglich, weil sie andere Qualifikationsprofile verlangen. Unternehmen suchen Spezialisten, während die Realität der Bewerberprofile oft anders aussieht. So wächst der Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen, während zugleich die Chancenlosigkeit bei einfachen Tätigkeiten zunimmt.

Ein zweiter struktureller Faktor ist fehlende Beweglichkeitsmöglichkeiten. Arbeit existiert, aber häufig weit entfernt vom Wohnort. Bayern meldet freie Stellen, während andere Regionen kaum Perspektiven bieten. Wer Familie, finanzielle Verpflichtungen oder soziale Bindungen hat, kann nicht einfach umziehen. Das ist keine individuelle Schwäche – es ist eine strukturelle Grenze des Systems. Der Arbeitsmarkt belohnt Mobilität, die viele sich nicht leisten können.


Sprache, Ausbildung, Realität – und ein System, das nicht anschließt

„Sprachkenntnisse sind der Schlüssel für jeden Ausbildungsberuf“, sagt Weinert. Viele Menschen wollen arbeiten, aber scheitern an fehlenden Deutschkenntnissen. Gleichzeitig treffen Jugendliche oft Berufswünsche, die nicht zur wirtschaftlichen Realität passen, während Lehrstellen dort entstehen, wo kaum jemand hingeht. Die Lücke vergrößert sich.

Hinzu kommt die Rolle der künstlichen Intelligenz. Sie verändert Tätigkeiten, nimmt einfachere Jobs weg und schafft anspruchsvollere Funktionen. Andrea Nahles warnt vor tiefgreifenden Branchenveränderungen. Doch wer heute arbeitslos ist, findet in diese neuen Profile kaum hinein. Das verschärft die Jobkrise, statt sie zu lösen.

Immer weniger Chance – und das Problem ist strukturell

Das Kernproblem ist damit klar: Immer weniger Arbeitslose erhalten überhaupt die Möglichkeit auf Beschäftigung. Nicht fehlender Wille entscheidet. Nicht individuelles Versagen. Sondern ein Arbeitsmarkt, der strukturell nicht mehr ausreichend Zugang bietet, weil wirtschaftliche Schwäche, Stellenabbau, Industrieabwanderung, Qualifikationslücken und regionale Ungleichheit zusammenwirken. (KOB)

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