Bekanntlich ist die Nordsee mit ihren starken Winden ein idealer Ort für die Windstromerzeugung. Der Bau von Windparks ist wegen der nicht allzu großen Tiefen der Gewässer vergleichsweise kostengünstig zu realisieren. Das hat in der Vergangenheit Investoren angelockt, so die Energieunternehmen BP und Totalenergies, die für neue Windparkflächen noch im Sommer 2023 insgesamt 12,6 Milliarden Euro zahlten. Auch im Sommer 2025 fand wieder eine Windparkauktion für Flächen vor deutschen Küsten statt, doch dieses Mal floppte sie komplett: Es fand sich nicht ein einziger Bieter. (msn, 29.11.2025)
Sinkendes Interesse an Offshore-Windparks
Es handelt sich um ein weltweites Phänomen: Auch aus Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Belgien, aus Japan und den USA wird ein stark nachlassendes Interesse an der Windkraft vom Meer gemeldet. Nach Interventionen der Trump-Regierung kündigte das Unternehmen Ørsted, weltweit größter Windparkentwickler, den Stopp aller Aktivitäten vor der US-Küste an. Auch RWE baut dort keine Offshore-Windparks mehr. Der Branchenriese Equinor bemüht sich derzeit, die schon genehmigten Projekte fertigzustellen.

Søren Lassen leitet die Windenergieabteilung der Energieunternehmensberatung Wood Mackenzie. Er berichtet, dass praktisch nur noch in China wachsende Aktivitäten in diesem Sektor zu beobachten sind. Ansonsten werden geplante Projekte gestoppt, zumindest aber schrumpfen sie stark. Søren Lassen prophezeit einen „Kollaps“ beim Neubau von Offshore-Windparks bis etwa 2028. Das hat für die spezialisierten Unternehmen gravierende wirtschaftliche Folgen. Der Aktienkurs des Weltmarktführers Ørsted sank seit 2021 um 80 Prozent. Auch die IEA (Internationale Energieagentur) senkt nun drastisch ihre Prognosen.
Ursprünglich hatte sie einen Anstieg der Offshore-Kapazitäten von derzeit 50 auf 214 Gigawatt bis 2030 erwartet, doch inzwischen schätzt sie den Zuwachs nur noch auf eine Zielmarke bis 140 Gigawatt ein. Das ist bedauerlich, denn ein Gigawatt kann rund eine Million Haushalte elektrisch versorgen. Die weltweite Energiewende scheint durch den derzeitigen Stand gefährdet.
Woher kommt die Krise der Offshore-Windkraft?
Ein Bündel von Faktoren hat sie herbeigeführt. Sinkenden Einnahmen stehen steigende Kosten gegenüber. Diese basieren auf höheren Zinsen und Rohstoffpreisen. Hinzu kommen drastische Lieferkettenengpässe und politischer Widerstand, der vor allem in den USA unter Trump zu beobachten ist. Die Kostenexplosion um bis zu 40 Prozent seit den frühen 2020er Jahren dürfte das wichtigste Argument für den Rückzug der Investoren sein. Es spielt sicher auch eine Rolle, dass viele Staaten – darunter auch Deutschland – ihre Subventionen für Windkraft zuletzt drastisch gesenkt oder gar komplett gestrichen haben. In diesem Sinne haben Unternehmen, die schon vor Jahren auf diese Sparte gesetzt haben, ein glückliches Händchen bewiesen, so ENBW aus Süddeutschland.
2017 ersteigerte der Konzern eine Fläche für den seit November 2025 Strom liefernden Windpark „He Dreiht“ bei Helgoland. Der Anschluss der ersten 15-MW-Anlage vom Weltmarktführer Vestas war eine Sensation, denn der Rotor hat einen Durchmesser von 236 Metern und kann mit einer einzigen Umdrehung vier Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen. Die restlichen 63 Windräder will ENBW bis Mitte 2026 anschließen. Auf den Strom warten Großkunden wie DHL, Bosch und Fraport, die mit ENBW Power Purchase Agreements – langfristige Verträge – abgeschlossen haben. Warum setzen sich seit 2025 solche Erfolgsgeschichten nicht fort?
Scheitern mit Ansage
Stefan Thimm leitet den Bundesverband Windenergie Offshore, er kritisiert die ständig wachsenden Risiken für die Unternehmen, welche ihnen die Politik aufbürdet. In diesem Sinne ist für ihn der Einbruch der Offshore-Investitionen ein „Scheitern mit Ansage“, während Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) zu schlechte geologische Bedingungen und sinkende Strompreise für die Krise verantwortlich macht. Sie schlägt eine Anpassung der Ausschreibungsbedingungen für Flächenauktionen vor, die sich an den Konditionen bei anderen Nordseeanrainern orientiert.
Doch auch in Großbritannien gelingen diese Art von Auktionen nicht mehr. Dabei bietet die Regierung den Unternehmen CfDs („Contracts for Difference“) für die Absicherung gegen sinkende Strompreise an, doch das Vehikel zieht kaum. Dennoch denkt man nun in Deutschland über ein neues Ausschreibungsdesign nach, das Windauktionen wieder attraktiver machen soll. Ministerin Reiche hat die Idee der Contracts for Difference für sich entdeckt, will aber auch qualitative Kriterien stärker berücksichtigen. Dazu gehört aus ihrer Sicht die systemdienliche Einbindung von Windparks ins Stromnetz. Dieser Aspekt ist ganz sicher relevant, wenn wir die Diskussion um Stromtrassen verfolgen, die den Offshore-Windstrom der Nordsee nach Süddeutschland transportieren sollen, deren Bau sich aber aus Gründen der Bürokratie, der Kosten und der juristischen Einsprüche von Anwohnern verzögert.
Reiche hat für ihre gesetzgeberischen Initiativen nicht viel Zeit. Eine ähnliche Situation mit überbordender Bürokratie und anderen Widrigkeiten gab es schon einmal nach 2010. Damals führte diese Lage zu einem „Fadenriss“ beim Ausbau der erneuerbaren Energien: Einige Firmen, die in Vorleistung gegangen waren, mussten nach Projektstopps sogar Insolvenz anmelden.
