Der Berliner Senat plant, große Teile des Grunewalds für Windkraftanlagen zu roden. Dieses Vorhaben betrifft ein Gebiet, das seit Jahrzehnten als grüne Lunge der Hauptstadt gilt. Auf rund 45 Millionen Quadratmetern produziert der Wald jedes Jahr bis zu 135.000 Tonnen Sauerstoff. Der Grunewald beherbergt seltene Pflanzen, geschützte Tierarten und ist Rückzugsort für viele Berliner. Trotzdem droht ausgerechnet im Namen des Klimaschutzes die Zerstörung eines der wertvollsten Naturareale Deutschlands (bz-berlin: 12.06.25).
Grunewald: Windräder statt Artenvielfalt?
Acht Flächen in Berlin stehen für den Ausbau der Windenergie zur Diskussion. Darunter: drei Gebiete im Grunewald mit insgesamt 72 Hektar – das entspricht etwa 100 Fußballfeldern. Dort sollen riesige Windräder nahe der Avus entstehen, inmitten von Landschaftsschutz- und EU-Vogelschutzgebieten. Der Wald bietet Lebensraum für Seeadler, Habichte, Wespenbussarde, Fledermäuse, Eremiten, Schwalbenschwänze und Zauneidechsen. Der Aufbau der Windkraftanlagen würde diese Tiere vertreiben oder direkt gefährden. Die Senatsunterlagen rechnen mit „signifikant erhöhtem Tötungsrisiko“ für bestimmte Arten und einem dauerhaften Verlust an Vegetation.

Der Grunewald erhielt 2015 die Auszeichnung „Waldgebiet des Jahres“. Doch dieser Titel schützt ihn offenbar nicht vor politischem Zugriff. Urban Aykal, Umweltstadtrat in Steglitz-Zehlendorf, warnt vor den umfassenden Folgen: Der Bau bedeute nicht nur Rodung für die Fundamente, sondern auch Schneisen für Stromtrassen und Zuwege für Schwerlasttransporte. Damit würde ein einmaliges Biotop zerstört, das sich über Jahrzehnte regeneriert hat.
Massive Kritik auch außerhalb des Grunewalds
Auch an anderen geplanten Standorten regt sich Widerstand. In Spandau betreffen die Pläne die Gatower Rieselfelder – ein Landschaftsschutzgebiet mit hoher naturschutzfachlicher Bedeutung. Baustadtrat Thorsten Schatz verweist auf die Funktion der Flächen als letztes verfügbares Kompensationsgebiet für Eingriffe in die Natur. Der Bezirk lehnt die Pläne geschlossen ab. Selbst innerhalb der Senatsverwaltung stößt das Vorhaben auf Ablehnung.
In der Jungfernheide, einem beliebten Waldstück zwischen Tegeler See und ehemaligem Flughafen Tegel, drohen ebenfalls Einschnitte. Dort beantragte der NABU bereits Naturschutzstatus für das Gebiet. Eine Anwohnerin bringt ihre Ablehnung deutlich zum Ausdruck: „Ich bin gegen Windräder. Sie töten die Vögel. Sie fliegen in die Windräder rein, werden zerfetzt. Und die Windräder sehen auch nicht schön aus, sind ein Schandfleck.“
Berlins Natur droht der Rückbau im Namen des Fortschritts
Auch in Arkenberge (Pankow) und in der Krummendammer Heide (Treptow-Köpenick) stehen ökologisch sensible Flächen zur Disposition. Brutvögel, Fledermäuse und andere geschützte Arten leben dort. Hinzu kommen Wasserschutz- und Bodenschutzgebiete, deren Funktion durch Bauarbeiten beeinträchtigt würde.
Ein weiteres Beispiel: der Teufelsberg. Auch hier sind Windkraftanlagen geplant – auf einem Trümmerberg, der bereits als erosionsgefährdet eingestuft ist. Die bis zu 270 Meter hohen Windräder sollen selbst das Denkmal der einstigen Abhörstation überragen. Das Gelände ist Naherholungsgebiet und Teil des Grunewalds – und doch offenbar nicht sicher vor Eingriffen.
Die Windkraft spielt eine zentrale Rolle in der Energiewende. Doch wenn sie Wälder vernichtet, Lebensräume gefährdet und Schutzgebiete überbaut, untergräbt sie ihre eigene Legitimation. Der Grunewald steht sinnbildlich für diesen Zielkonflikt – und droht, ihm zum Opfer zu fallen.
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